Sonntag, 15. Dezember 2013

Lebensgeschichten #4

Hallo miteinander,

ich habe schon die nächste Geschichte für Euch. Diesmal erzählt eine Mutter aus ihrem Alltag. Mädels, ob schwanger oder noch nicht schwanger, hört auf Lisbeth: Schmeißt alle Ratgeber weg, vergesst alle Statistiken...ihr müsst lernen, flexibel zu werden.

Also Lisbeth, hier deine Bilanz der letzten 10 Monate….

In meinem Job habe ich es geliebt „Such und Find“ zu spielen. Auch privat steh ich total drauf, bei g***le oder sonst wo, Dinge zu suchen, Berichte zu lesen und allerlei über andere Leute herauszufinden. Daher haben mir meine drei Freundinnen den Spitznamen „Lisbeth“ verpasst – wer Stieg Larsson kennt weiß wieso…..  

Was das mit meiner Geschichte zu tun hat? Als ich letztes Jahr nach einem Zyklus von fast 100 Tagen und einem ganz normalen 28 Tage Zyklus schwanger wurde, habe ich mich kreuz und quer durch das Internet gesucht, um alles wichtige zur Schwangerschaft und dem Baby, das da kommen sollte, herauszufinden. Leider ist das mit dem Internet so wie im wahren Leben…alles kann, muss aber nicht.

Da meine Schwangerschaft bis auf die letzten Wochen echt gut verlaufen ist (keine Übelkeit oder ähnliche Dinge) musste ich dazu auch nicht viel lesen. Also konzentrierte ich mich gleich auf die Zeit danach.

Nach zehn Monaten „Baby live“ kann ich wirklich behaupten, dass ich keines dieser Ratgeber-Babys habe. Alles was in diversen Ratgebern steht, kann ich mir in die Haare schmieren. 

Fangen wir doch bei meinem Lieblingsthema an: Schlaf!
Schlaf wird überbewertet und ich weiß jetzt auch wieso Schlafentzug als Foltermethode eingesetzt wird. Mein Kleiner hat in den letzten 10 Monaten nur ein einziges Mal 6 Stunden am Stück geschlafen. Er ist 10 Monate alt – laut Ratgeber hätte er jetzt wieder ANFANGEN müssen, unruhiger zu schlafen, da er ja so viele Dinge lernt – tja... meiner hat nie aufgehört, unruhig zu schlafen. Ich will jetzt auch nicht behaupten, ich hätte nicht gewusst, dass es solche Babys gibt – aber irgendwie war ich, glaube ich, etwas naiv und hab mir eingebildet, dass meins schläft. Am liebsten schläft er nämlich beim mir auf dem Arm –während dem Stillen – und pfui – das sollte ja laut Ratgeber bitte erst gar nicht angefangen werden, da dies zur Gewohnheit wird! Ja, da hab ich nun den Salat. Die ersten 4 Zähne sind auch schon da und ich kann nur sagen – AUA!
 
Rituale einführen: wir HABEN eins! Jeden Abend Brei essen, waschen, wickeln, Schlafanzug an und ab in die Falle. Mache ich schon immer so. Laut Ratgeber schläft dann das Kind schon fast alleine! Denkste!! Ich kann dem Spruch mit dem „morgens anlächeln“ nix abgewinnen – es ist zwar schön, angelächelt zu werden, aber ich lasse mich durchaus auch gerne nach 8 Stunden Schlaf anlächeln….In Phasen, in der das Kind dann auch noch im Stunden bzw. Zweistundentakt gestillt werden möchte, nützt auch ein Lächeln nix! Wirklich nicht!
Merke Nr. 1: keine Beiträge mehr über „wie schläft Ihr Kind durch“ lesen – macht depressiv und ändern kann man nur mit Foltermethoden was, und das wiederum möchte ich dem Kleinen auch nicht antun.

Stillen
Wenn möglich sollte doch gestillt werden. Ist gut für die Beziehung zum Kind und hilft anscheinend dem Kind später mal, kein Moppelchen zu werden und Allergien zu bekommen und und und… Stillen hat bei mir von Anfang an geklappt und auch hier: Frau Blauäugig lässt grüßen. Ich habe mir eingebildet, ich stille die ersten 6 Monate, dann bekommt das Kindlein fein seinen Brei und dann ist gut. Wer aufgepasst hat, hat beim Thema Schlaf schon die Zähne bemerkt. Ich stille also immer noch!! Auch hier habe ich keins dieser Babys, die 190 g Gläschen in einem Happen aufessen. Egal welches Gemüse (die Ausnahme bildet Brokkoli), ob fein püriert oder mit Stücken - 60 g sind das höchste der Gefühle. Somit gibt’s dann jedes Mal noch „Nachtisch“ an der Milchbar, was das abstillen nicht fördert – aber gar nix zu essen ist auch doof…. Merke Nr. 2: Kochbücher für Babynahrung kann ich mir sparen – das Kind will ja eh nichts von den kulinarischen Köstlichkeiten aus diesem Büchlein….

Drehen, Krabbeln, Brabbeln, Laufen
Ich habe mich dazu entschlossen mit dem Kleinen in eine Pekip-Gruppe (auf Deutsch: die etwas andere Krabbelgruppe) zu gehen. Und ich muss sagen, es hat mir ganz gut gefallen, obwohl ich gesagt hab, ich muss mir das nicht antun. Na gut, man ist ja lernbereit… Hier ging es um die motorischen Fähigkeiten, die beim Kind gefördert werden sollen. 7 Mütter und 7 Kinder… Auch hier… Keines dieser Vorzeigebabys… Wir ziehen es vor, lieber alleine oder nur mit Mama zu spielen, die anderen Babys sind zu laut oder machen Sachen, die wir nicht mögen! Mein Kleiner war immer in allem der Letzte – mich hat das nie gestört – die mitleidigen Blicke, wenn er mal wieder geweint hat und erschrocken ist, wenn eins der anderen Babys laut gekreischt hat, haben aber dann doch das ein oder andere Mal auch bei mir ins Schwarze getroffen. Man macht sich dann wieder seine Gedanken und…. sucht im Internet, ob das alles normal ist!
Ich hatte in der Schwangerschaft einen Newsletter abonniert, in dem mir die Entwicklungsschritte meines Babys erklärt werden. Und wer kanns erraten? Fehlanzeige…. Er hat sich erst später als alle anderen, auf den Rücken und zurück gedreht. Krabbeln wollte er auch nicht – auch nicht, wenn ich auf allen vieren im Haus vor ihm rumgekrabbelt bin. Und dann: innerhalb von zwei Wochen hat er alles auf einmal gemacht. Gekrabbelt und hat sofort angefangen, sich an allem hochzuziehen, was ihm in den Weg gekommen ist. In meiner Krabbelgruppe war er dann natürlich der Star, weil es keiner glauben konnte, was er auf einmal alles kann! Ja, die Letzten werden die Ersten sein….Merke Nr. 3: Newsletter abbestellen – stimmt bei uns eh nicht…

Und das Thema, für welches ich schon bei meinen Freunden für einen Lacher gesorgt habe: Aussehen wie ein Mensch.
Ich bewundere Mütter – nein eigentlich habe ich schon immer alle Frauen bewundert, die immer wie aus dem Ei gepellt aussehen. Wenn ich manchmal nicht so gut drauf war, hat sich das sofort auf meine Frisur, meine Haut und meine Klamotten niedergeschlagen. Wenn ich an Februar diesen Jahres zurückdenke, muss ich immer noch schmunzeln…. Ich hatte also seit drei Wochen ein kleines Bündel zu Hause. Alles war neu und die Zeitplanung und meine frühere Pünktlichkeit waren dahin. Da ich hormonell bedingt immer am schwitzen war, hatte ich mich an diesem Tag entschieden, die Dusche auf später zu verschieben, da ich eh noch aus dem Haus musste und dann frisch geduscht sein wollte…. Also stiefelte ich in meinem Lieblingsoutfit der letzten 10 Monate herum: Klamotten zum knöpfen! So herrlich praktisch zum stillen aber so gar nicht hübsch…. Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich erwartete doch aber niemanden??? Also schnell durch die Tür gespickelt und den Postboten entdeckt (ich hab doch gar nix bestellt??!!). Ich bin dann ganz schnell in den oberen Stock gerannt, um mir eine Hose und ein Jäckchen anzuziehen um nicht ganz so nackig vor dem armen Mann zu stehen. Leider habe ich es nicht geschafft, die gefühlten 5 Millionen Knöpfe an meinem Schlafshirt zuzuknöpfen bis ich wieder an der Tür stand. So öffnete ich mit halb offenem Shirt einen Spalt die Tür. Der Postbote erblickte mich und bekam sofort einen hochroten Kopf, den er schnell zwischen seinen Schultern versteckte, mir ein Paket für die NACHBARIN entgegenhielt und etwas von "können Sie das bitte nehmen" und "oh tut mir furchtbar leid, dass ich störe" und "oh das arme Kind" (mein Kleiner brüllte lautstark aus dem Wohnzimmer hervor) stammelte… Peinlich, peinlich, peinlich. Deshalb, Merke Nr. 4: versuchen, vor 9.00 Uhr morgens wie ein zivilisierter Mensch auszusehen. 

Fazit der letzten 10 Monate
Wenn du ein Ratgeber-Baby hast, kann mein Bericht durchaus ignoriert werden und wenn nicht, kauf dir genug T-Shirts zum knöpfen und glaube nicht alles was g***le dir so erzählt – es verwirrt nur, und man weiß zum Schluss gar nicht mehr, was genau man denn jetzt machen oder eben nicht machen soll….   
Ich hab meinen Kleinen furchtbar lieb und würde ihn auch nicht mehr wieder hergeben, aber in manchen Dingen war bzw. bin ich noch ganz schön blauäugig. Wenn man jedoch erkennt, dass man nicht alles beachten muss, was in einem Ratgeber bzw. im Internet steht oder was andere Mütter empfehlen, kann man es durchaus auch hinbekommen, sein Kind ganz normal groß werden zu lassen. Ohne fünf Kurse die Woche und ohne dass es mit einem Jahr schon chinesisch spricht oder Fahrrad fährt…. Ich habe meine „Such und Find“ Spiele inzwischen auf unwichtige Dinge reduziert und versuche, nur noch wenige Dinge über Babys oder Kleinkinder zu suchen.
 
Dies ist zwar keine Geschichte, die ganz dramatisch oder lustig und auch nicht traurig ist – aber das ist die Geschichte, die mein Leben gerade schreibt… und es ist schön so….

Euch allen hier, wünsche ich unbekannter Weise von ganzem Herzen, dass ihr euch bald an einem Ratgeber-Baby freuen dürft – und wenn´s keins wird – die Welt braucht auch außergewöhnliche Kinder – also die Damen…her damit!

Alles Liebe
Lisbeth

 
Liebe Lisbeth,
es tut gut, zu lesen, dass es auch Mütter gibt, die nicht versuchen, ihr Kind in eine Statistik zu pressen, egal, ob es da reinpasst oder nicht. Sondern mit normalem Menschenverstand an die Sache rangehen...Blauäugig würde ich das nicht nennen. Wenn man flexibel genug ist, die Dinge auch mal laufen zu lassen und mal abzuwarten, was passiert, kommt man doch auch ans Ziel. Ich danke dir für den Einblick in das wahre Leben einer Mama. Ich denke, du machst das prima und dein Kleiner kann glücklich sein, so eine Mama zu haben.
 
Deine Hanni
 

2 Kommentare:

  1. Das war mal eine Geschichte, die ich genau jetzt dringend brauchte. Ich habe nämlich auch kein Ratgeber-Baby und schon ganz wunde Fingerkuppen vom g**gln. Danke Lisbeth. Und danke, Hanni, fürs Veröffentlichen.
    Juli mit Frida, die ihre ganz eigenen Vorstellungen zum Thema Ernährung hat.

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  2. Hallo Juli,
    wie du siehst, bist du nicht alleine. Freut mich sowieso, dass auch Mütter meinen Blog lesen.
    Liebe Grüße
    Hanni
    PS: Ich danke dir für deinen Kommentar. Ich dachte schon, dem Internet hat es die Sprache verschlagen, dabei sind die Lebens-Geschichten so toll. Jede auf ihre Art.

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